Dreimonatsbericht

Fuer die Weltwaertsfoerderung bin ich verpflichtet, alle drei Monate einen Bericht zu schreiben. Das erste Viertel ist rum, also hier der Bericht.
Nicht wundern, wir haben
Leitfragen bekommen, an die wir uns zu halten haben und die sich mehr um das Projekt und was anders als unsere Erwartungen sind dreht als alles Andere:)
Vor knapp vier Monaten ging es los, ich stieg in den Flieger und ein neues Zuhause wartete auf dem anderen Ende der Welt auf mich – monatelang habe ich auf diesen Tag hingefiebert, mich vorbereitet und mit ehemaligen Freiwilligen ausgetauscht.
Immer und immer wieder wurde mir gesagt: Mach dir kein Bild und gehe ohne Erwartungen nach Kenia, denn bevor du nicht da bist, kannst du direh nichts vorstellen. Das habe ich wirklich versucht und doch hat man ja im Hinterkopf unbewusst Bilder vom neuen Land, beeinflusst durch Medien und anderer Leute Erfahrungen.
Jetzt im Nachhinein kann ich gar nicht mehr sagen, was genau ich erwartet oder mir vorgestellt habe. Ich weiß nur, dass es anders ist, komplett anders.
Aber dennoch muss ich sagen, dass mir der Austausch vor dem Jahr fuer die erste Zeit geholfen hat. Vorallem das Vorbereitungscamp in Deutschland und auch dann in Kenia haben vieles erleichtert und erst jetzt versteht man viele Sachen, die einem auf den Weg gegeben werden. Ich habe außerdem erfahren, dass es etwa drei Monate braucht, um sich einzuleben und an viele Sachen zu gewöhnen. Das hat mir die erste Zeit Mut gemacht – nach dem Motto `das hat bisher jeder geschafft, ich muss mir nur Zeit geben`!
Genauso war es am Ende ja auch, ich bin inzwischen glücklich und lebe meinen Alltag.
Ich arbeite jetzt seit über drei Monaten in der Manga Girl Primary School im kleinen Dorf Manga in Kisii County. Die Grundschule ist eine reine Mädchenschule und umfasst Klasse 1 – 8, sowie die Babyklasse, etwas über 100 Schülerinnen. Die Kleinsten sind 3 Jahre alt und es geht hoch bis 16/17 Jahre. Meinem Wunsch P.E. (Sport) zu unterrichten, wurde nachgegegangen und ich bin nun Sportlehrerin für alle Klassen, unterrichte Musik und Kunst in Standard 5-7 und bin Klassenlehrerin von Standard 6! Außerdem springe ich viel ein, wenn ein Lehrer nicht anwesend ist – was jedoch sehr oft vorkommt, sodass ich regelmaeßig auch Englisch und Mathe lehre. Durch meine fehlenden Kisii-Kenntnisse ist die Kommunikation nicht immer die Einfachste. Die Lehrer sprechen alle Englisch, das findet im Alltag jedoch nicht Anklang, da die Schueler (vorallem die Kleineren) eher kein Englisch koennen. Doch das hindert nicht das gemeinsame Spielen und den Unterricht, da die Kinder doch sehr unkompliziert sind. Die Schule beginnt offiziell 8 Uhr, die Schueler haben jedoch bereits 90 min vor den Lehrern hier zu sein, um Stillarbeit wie Lesen, zu absolvieren. Bis 16 Uhr ist dann Unterricht mit einer großen Mittagspause, anschließend Spielzeit. Aber Zeitangaben sind eh nicht so relevant, Kenyan Time ist doch sehr anders und lockerer!
Ich habe mich in meinem Projekt sehr aufgenommen gefuehlt, vorallem von den Schuelern. Die ersten Wochen liefen etwas chaotisch, da nicht alle Kinder sowie Lehrer anwesend waren. Daher war der Start sehr sanft ohne Ueberforderung. Im Gegenteil, ich habe nach zusaetzlichen Unterrichtsstunden gefragt, um mehr zu tun zu haben. Aber dennoch ist zwischen meinen Stunden viel Zeit. Zeit, die ich mit meiner Mitfreiwilligen Melanie (USA) verbringe oder mit Klassen, wo kein Lehrer ist. Mit den Lehrern habe ich mich noch nicht so besonders angefreundet. Sie zeigen mir doch immer wieder ganz deutlich, dass ich nicht unbedingt gebraucht werde. Natuerlich ist es gut, dass die Schule nicht von einem Freiwilligen und seiner Arbeit abhaengig ist, ich will ja auch keinen Arbeitsplatz wegnehmen! Aber so gar keine Wertschaetzung fuer die Zeit und Kraft, die man schenkt, zu bekommen, ist gewoehnungsbedürftig. Eine weitere Sache, die mir etwas schwer faellt, ist das Ausnutzen der Machtpositionen und das Schlagen. Trotz Gesetzesverbot findet diese Art der Strafe doch in meiner Schule taeglich statt. Zumal ich in meinem Unterricht sehe, dass mit Disziplin auch guter Unterricht moeglich ist. Doch ich verurteile es nicht, es gehoert mit zur Kultur und ich versuche es, zu akzeptieren. Vieles ist anders als an deutschen Schulen. Es gibt kaum Material wie Buecher, Papier, Stifte, Hefte oder Sportsachen. Diese Zustände hätte ich teilweise nicht so erwartet. Aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt, ich sehe alles entspannter und auch wo die Ursachen der Probleme liegen könnten bzw. woher manche Arbeitseinstellungen herrühren.
Als ich in mein Projekt kam, hatte ich eigentlich keine Ziele im Kopf. Doch schnell wurde mir klar, um mir den Unterricht einfacher zu machen, sollte ich ein paar Sachen anschaffen. So wurden ein paar Baelle und Stifte besorgt, sowie Zeichenpapier aus Deutschland geschickt. Sicher war das kein Muss, aber es erleichtert doch enorm P.E., wenn einfach mal Fußball gespielt warden kann. Ansonsten ist mein Ziel einfach, mit den Kindern zusammenzuwachsen und ihnen guten Unterricht zu geben. Desweiteren kann ich bei den Kindern einige Vorurteile und Bilder ueber Weisse ausraeumen und somit auch ueber mein Jahr hinaus etwas erreichen.
Ich genieße es sehr hier zu sein, ein Land und deren Leute kennen zu lernen. Die Menschen sind unglaublich nett und hilfsbereit! Es ist so einfach zu reisen, man fühlt sich nie verloren!
Vorallem durch die Anwesenheit der Mitfreiwilligen Melanie im gleichen Dorf, ist es leichter. Zu zweit erobert man doch schneller neue Gebiete und Traditionen. In eine fremde Kultur einzutauchen, ist super spannend, aber man bleibt mehr oder weniger ein Fremder, die Menschen haben ihr Leben, ihren Alltag. Dennoch fühle ich mich sehr gut aufgehoben, vorallem in meiner Gastfamilie. Diese besteht aus meiner Mutter Jacky und fuenf Geschwistern im Alter von 9-19. Gemeinsam leben wir in einem Lehmhaus ohne Strom und fliessend Wasser. Wer sich waschen will, muss halt erstmal zum Fluss und sich neues Wasser besorgen. Das Essen war anfangs eine grosse Umstellung und schafft auch jetzt hin und wieder mal. Aber alles eine Frage der Gewöhnung!
Ueberraschend hier finde ich die Mentalitaet der Kenianer – sehr zuvorkommend und man ist immer willkommen. Außerdem passt man sich sehr schnell der Kenyan time an und achtet als normalerweise sehr auf Puenktlichkeit gedrillter Deutscher nicht mehr so auf die Zeit. Generell ist alles viel lockerer hier. Vor der Abreise war ich doch sehr veraengstigt wegen der Anschlaege in Kenia, die in den Medien waren. Nachdem jetzt laenger Ruhe war, hoert man nun immer wieder von Toten. Doch ich fuehle mich sicher und habe keine Furcht vorm Rumreisen! Eine Sache, die ich von mir selbst wohl anders gedacht haette!